Rhein-Gold
Die Deutsche Oper am Rhein und die Helikon-Oper aus Moskau verbindet eine enge künstlerische Freundschaft. Intendant Christoph Meyer über die Kooperation beider Häuser, die „russische Spur“ im Düsseldorfer Opernhaus und seine Liebe zur russischen Musik
Petersburger Dialog: Im April dieses Jahres haben Sie einen Kooperationsvertrag mit der Helikon-Oper unterzeichnet. Wie kam es dazu?
Christoph Meyer: Unser Kooperationsvertrag ist im Rahmen des russischen Kulturfestivals „Russian Seasons“ entstanden, das 2019 in Deutschland mit zahlreichen Ausstellungen, Festivals und Konzerten zu Gast ist. Einen Vorvertrag haben Dmitri Bertman, Intendant der Helikon-Oper, und ich bereits im vergangenen Jahr in St. Petersburg unterschrieben. Am 26. und 27. Oktober kommt die Helikon-Oper mit zwölf Solistinnen und Solisten, Chor und Orchester für zwei große Gala-Konzerte nach Duisburg und Düsseldorf, in denen mit Arien, Ensembles und Chorszenen von Tschaikowsky und Verdi auch musikalisch eine Brücke nach Russland geschlagen wird. Mit diesen Konzerten wollen wir ein Zeichen setzen.
Ein Zeichen wofür?
Bei uns arbeiten Künstler aus 38 Nationen, auch viele russische. Mir ist es sehr wichtig zu zeigen, dass Kultur keine Grenzen hat. Der kulturelle Austausch belegt: Dinge, die auf politischer Ebene nicht immer funktionieren, gehen oft einfacher auf der kulturellen. Deswegen ist diese Kooperation eine Herzenssache.
Die Zusammenarbeit mit der Helikon-Oper begann schon 2016. Dmitri Bertman führte damals die Regie bei Nikolai Rimski-Korsakows Opernsatire „Der goldene Hahn“. Wie kam es zu diesem Engagement?
Ich kenne Dima schon seit fast 20 Jahren. Wir waren oft gemeinsam in der Jury des internationalen Hans-Gabor-Belvedere- Gesangswettbewerbs, und so ist unsere Freundschaft entstanden. 2016 inszenierte er dann bei uns „Der goldene Hahn“. Und ein Jahr später, anlässlich des 25-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Moskau, fand ein gemeinsames Gala-Konzert mit Sängern der Helikon-Oper und der Deutschen Oper am Rhein im Düsseldorfer Opernhaus statt. Ich glaube, fast die Hälfte des Publikums waren unsere russischen Mitbürger. Der Gegenbesuch folgte am 4. September 2018 in Moskau, als sieben Sängerinnen und Sänger der Deutschen Oper am Rhein gemeinsam mit ihren russischen Kollegen ein Konzert in der Helikon-Oper gaben haben. Ein unvergesslicher Abend, an dem auch der Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, sowie hochrangige Moskauer Kulturpolitiker teilnahmen.
Eine Ihrer vielen russischen Sängerinnen ist die Mezzosopranistin Maria Kataeva, sie ist ein großer Star in Düsseldorf. Der Tenor Sergeij Komov und der Bariton Dmitri Vargin sind Ensemblemitglieder. Der berühmte Bariton Boris Statsenko war lange Jahre Solist in Ihrem Haus und tritt weiterhin häufig als Gast in der Oper auf.
Alles wunderbare Künstler. Wir haben im Moment in unserem Opernstudio acht Sänger aus sieben verschiedenen Ländern, und zwei davon kommen aus Russland – Daria Muromskaia und Maria Boiko. Wenn ich in Russland bin, höre ich gern junge Sänger an. Das Vorsingen findet auch an Musikhochschulen statt, und besonders dort spürt man oft, was für eine fantastische Ausbildung die jungen Talente dort bekommen und was für eine Affinität zur Kultur die Russen haben. Der Vergleich zu Deutschland fällt manchmal etwas bitter aus.
Ein vielleicht bezeichnendes Erlebnis hatte ich einmal in einer Gemäldegalerie in Moskau. Eine Mutter war dort mit einer etwa vierjährigen Tochter und das Kind sah ein Porträt von Puschkin, zeigte mit dem Finger darauf und sagte: „Mama, schau mal, das ist Puschkin!“ Die Russen haben ein ganz tiefes Verhältnis zu ihren Poeten oder auch Komponisten. Bei vielen Gesangwettbewerben, an denen russische Sänger teilnehmen, merke ich, wie sie für ihre Kunst brennen. Das ist einer der Gründe, warum ich mich freue, russische Sänger in unserem Ensemble zu haben.
Wenn Sie junge Künstler etwa aus Russland engagieren, gehen sie manchmal auch durch Ihr Opernstudio. Was bringen Sie ihnen bei? Bekommen sie an der Deutschen Oper am Rhein den letzten Schliff?
Ich nenne das „ein behütetes Nest“. Sie sind noch keine festen Mitglieder des Ensembles und sind noch nicht den ganzen Herausforderungen ausgesetzt, die damit verbunden sind. Gleichzeitig können sie sich künstlerisch und als Personen entwickeln, bekommen Meisterkurse von hochkarätigen Künstlern, Sprachunterricht und szenische Kurse. Während dieser Zeit versuchen wir, sie so umfassend wie möglich zu unterstützen und auf den Beruf vorzubereiten. Dazu gehört natürlich auch die Chance, in kleineren und mittleren Rollen aufzutreten und praktische Erfahrungen auf der Bühne zu sammeln. Dieses Programm dauert zwei Jahre. Einige Absolventen übernehmen wir danach, wie es bei Maria Kataeva der Fall war.
Sie waren schon zum zweiten Mal Jurymitglied des Wettbewerbs der jungen Opernregisseure „Nano-Opera“ in Moskau, den Dmitri Bertman ins Leben gerufen hat.
Es ist ein fantastischer Wettbewerb, der alle zwei Jahre stattfindet. In seiner Struktur ist er einzigartig auf der Welt, denn dort müssen junge Regisseurinnen und Regisseure live vor laufender TV-Kamera ihr szenisches Handwerk beweisen, was natürlich alles andere als einfach ist. Es gab 13 Teilnehmer von 160 Bewerbungen und am Ende wurden die ersten drei Plätze vergeben. Ich habe einem jungen russischen Talent einen Preis gegeben, der darin besteht, dass er bei uns zwei Monate als Regieassistent arbeiten kann.
In Ihrem Repertoire gibt es „Der goldene Hahn“ und Igor Strawinskys „Petruschka“. Am 25. Mai fand die Premiere der „Pique Dame“ von Tschaikowsky statt. Ich habe das Gefühl, die Deutsche Oper am Rhein hat eine russische Spur. Ist es nicht ein großes Risiko, russische Opern zu inszenieren? Denn das deutsche Publikum ist mit dieser Musik nicht unbedingt vertraut.
Jede Premiere ist ein Risiko, sogar „Die Zauberflöte“ kann durchfallen. Und Tschaikowsky gehört zum Weltmusikerbe und ist auch in Deutschland durchaus bekannt und beliebt. Unsere Inszenierung hat vielleicht nicht allen Erwartungen entsprochen, denn die amerikanische Regisseurin Lydia Steiers hat die Handlung ins Hollywood der 1950er-Jahre verlegt. Aber es war ein voller Erfolg, den wir auch den hervorragenden russischen Sängern zu verdanken haben, die in „Pique Dame“ mitwirken. Die Deutsche Oper am Rhein hat selbstverständlich weiterhin Interesse an diesen großartigen russischen Meisterwerken und wir werden diese Reihe bestimmt fortsetzen.
Daria Boll-Palievskaya
ist Journalistin, Autorin und Expertin für interkulturelle Kommunikation. Sie lebt in Düsseldorf.