Eine der besten Modeschulen der Welt – Inna Thomas‘ Fashion Design Institut in Düsseldorf – wird zehn Jahre alt
Sie ist 1,85 m groß, hat hohe Wangenknochen, eine stolze Haltung und Katzenaugen. Kein Wunder also, dass die diplomierte Historikerin und Designerin Inna Thomas in ihrer Heimat Saratow als Model arbeitete. Aber die junge Frau merkte schnell: Nähen bereitet ihr viel mehr Freude, als die Kleidung anderer Leute auf dem Laufsteg zu zeigen. Wenn aber damals jemand gesagt hätte, dass sie ein Modeinstitut in Deutschland leiten würde, hätte sie es nicht geglaubt.
Inna und ihr Ehemann Harald gründeten ihr Fashion Design Institut (FDI) nicht irgendwo, sondern in Düsseldorf – in der Modehauptstadt Deutschlands, im Mekka der internationalen Modeliebhaber. Berühmte Modehäuser kämpfen um die Möglichkeit, dort ihre Kollektionen zu zeigen oder eine Boutique zu eröffnen. Im vergangenen Jahr feierte das Institut sein zehnjähriges Bestehen, es ist die erste deutsche Hochschule, die vom renommierten amerikanischen Ceoworld Magazine in die Liste der 20 besten Modeschulen der Welt aufgenommen wurde.
Alles begann damit, dass die junge Frau aus Saratow nach Deutschland kam, um Deutsch zu lernen. Danach wollte sie für Englischkurse nach Amerika gehen – schließlich kann man ohne Fremdsprachen in der Modebranche nicht bestehen. Aber dann mischte die Liebe die Karten neu.
Inna lernte in Deutschland ihren zukünftigen Ehemann kennen. Nach der Geburt ihres ersten Sohnes stellte sie fest, dass sie einfach nicht untätig zu Hause sitzen konnte. Sie beschloss, ein Risiko einzugehen und ihre eigene Modeschule zu gründen. „Ich hatte nichts zu verlieren“, sagt Inna und lacht. Der Ehemann unterstützte sie; er kündigte für das gemeinsame Projekt seinen Job.
Aber gab es denn in Deutschland wirklich einen Mangel an Modedesignern? „Das Problem sind nicht die Talente, sondern, dass man nirgendwo lernen konnte, wie man mit der Modebranche zusammenarbeitet, mit anderen Worten, wie man Knöpfe an ein Hemd näht“, erklärt Inna. Das Ehepaar Thomas setzte auf ein möglichst praxisnahes Studium. Die Strategie ging auf.
Heute können am Fashion Design Institut fast 400 Studenten zwischen den Studiengängen Fashion Design und Stylist wählen. „Zusätzlich bieten wir neue Studiengänge – Fashion Management und Marketing und Modejournalismus. Außerdem haben wir einen Studiengang auf Englisch eröffnet, weil Studenten aus China, Frankreich, den USA und Südamerika zu uns kommen. Wir laden namhafte Modedesigner ein, damit sie unseren Studenten erzählen, wie das Modegeschäft funktioniert. Zum Beispiel haben bei uns Santo Versace und die Inhaberin des Missoni-Modehauses Angela Missoni Vorlesungen gehalten. Damit haben wir das internationale Niveau erreicht „, sagt Inna nicht ohne Stolz. Und sie hat allen Grund dazu. Denn das FDI ist die einzige deutsche Modeschule, die nach Einschätzung des amerikanischen Magazins Forbes seit 2016 zu den 50 besten Modeinstituten der Welt gehört. Inna selbst unterrichtet am FDI Kostümgeschichte und -design und ist dessen Kreativdirektorin. Harald ist für Finanzen und Marketing verantwortlich. Zunächst arbeitete Inna gleichzeitig an ihrer eigenen Modelinie Sava Nald, in deren Namen sie die Buchstaben ihres Namens und des Namens ihres Mannes verwendete. Aber nach der Geburt des zweiten Sohnes musste diese Idee aufgegeben werden.
Ihre ganze Kraft widmet sie dem Fashion Design Institut. Schließlich bleibt die Mode nie stehen und die Schule muss mit der Zeit gehen. Seit vielen Jahren präsentieren FDI-Studenten ihre Kollektionen in Düsseldorf auf der prestigeträchtigen „me Show“. Vor zwei Jahren eroberte Inna Paris: Ihre Absolventen durften ihre Kollektion auf der High Fashion Week zeigen. Der Erfolg war so schwindelerregend, dass die FDI mittlerweile jährlich an der Haute Couture teilnimmt.
„Zur Berliner Fashion Week fahren wir nicht mehr. Deutschland hat leider aufgehört, ein Modezentrum zu sein. Es ist nicht cool, sich in Berlin zu zeigen “, erklärt Inna mit Bedauern. Die deutsche Mode war schon immer praktisch ausgerichtet. Für deutsche Frauen ist es sehr wichtig, sich in ihrer Kleidung wohl zu fühlen. Russische Frauen dagegen kaufen sich Sachen, damit „alle tot umfallen“, wie es der russische Modehistorikerin Alexander Wassiljew ausdrückte. Die Russen lieben es grell, schrill, extravagant und wiederholen gern das Sprichwort: „Wer schön sein will, muss leiden.“
„Da kann ich Ihnen nicht zustimmen“, schüttelt Inna den Kopf. „Ich verfolge russische Stylisten und Modeblogger genau und muss sagen, dass sich die Mode in Russland stark verändert hat. Die Menschen ziehen sich viel dezenter und zurückhaltender an, man kann einen Trend zur Natürlichkeit beobachten. Heute gibt es in Russland viele großartige Designer. Ich mag zum Beispiel Alena Akhmadullina und die Marke Lime. Von Gosha Rubchinskiy bin ich auch begeistert. Seine Marke ist global geworden, und ich bewundere ihn als Geschäftsmann, obwohl sein Stil mir fremd ist und ich keine Kleidungsstücke aus seiner Kollektion kaufen würde. “ Und sie fügt traurig hinzu: „Tatsächlich hört Mode auf, kreativ zu sein. Es wird viel darüber geredet, dass die Mode algorithmischer geworden ist. Es werden nur Kollektionen erstellt, die verkauft werden. Und Haute Couture Häuser wie Christian Lacroix müssen schließen. Sogar Haute Couture wird bodenständig. Es gibt viel weniger Extravaganz.“
Über Inna wird oft gesagt, dass sie „russische Weiblichkeit“ in die deutsche Modewelt gebracht habe. Das Erfolgsgeheimnis des von ihr gegründeten Instituts liegt wahrscheinlich in der Kombination russischer und deutscher Kulturen. Inna hat den Kontakt zu Russland nicht verloren und ihre beiden Söhne sprechen exzellent Russisch. „Tom und Elias interessieren sich sehr für Mode“, lächelt Inna. „Mit Marken und Stoffen kennen sie sich bestens aus.“ Vor kurzem kehrten die Jungs von ihrer Großmutter aus Saratow zurück, wo sie die Sommerferien verbrachten. „Moskau lässt sie kalt, weil sie mit uns reisen und viele Hauptstädte der Welt schon gesehen haben. Aber die Wolga, die russische Natur, der Strand, die Freiheit, die Flusskrebse – von all dem sind sie begeistert“. Welche Trends kommen in der kommenden Saison auf uns zu? „Es wird viel Leder getragen, Schleifen auf Blusen sind relevant. Fliegende Röcke sind in, Modeliebhaberinnen sollen Oversize-Jacken tragen, aber die Taille mit einem Gürtel betonen. Grobe Schuhe und weiche, voluminöse Pullover mit großen, groben Kragen liegen im Trend. Was die Farben angeht, da kann man alles tragen. Schauen Sie sich den herbstlichen Wald an – das ist der neuste Trend.“
Daria Boll-Palievskaya
ist Journalistin, Autorin und Expertin für interkulturelle Kommunikation. Sie lebt in Düsseldorf.